Zum inklusiven Charakter des infans-Konzepts
AutorIn: Karin Ehinger-Dossow
Zertifizierte infans-Multiplikatorin
Beate Andres und eine Gruppe von infans-Multiplikator:innen beschreiben in der vorliegenden Broschüre[1] den inklusiven Charakter des infans-Konzepts und zeigen konkrete Handlungsschritte zur Gestaltung einer inklusiven pädagogischen Arbeit auf. Hier geht es zu unserem Shop.
Inklusion wird als Prozess verstanden, in dem möglichst alle Beteiligten gemeinsame Ziele verfolgen und zusammenarbeiten. Jedem Kind soll unabhängig von seiner Herkunft, dem kulturellen und ökonomischen Kontext seiner Familie, seinem Geschlecht und seiner körperlichen Verfasstheit Zugang zu hochwertiger Bildung und Entfaltung ermöglicht werden.
Alle Kinder haben gleiche Grundbedürfnissen und Rechte. Alle Kinder sind insofern gleich und sind doch ganz verschieden. Der individuelle Blick auf jedes Kind ist daher unverzichtbar in der Grundstruktur des infans-Konzepts angelegt. Obwohl Bildung in erster Linie ein individueller Prozess ist, kann dieser nur im sozialen Kontext gelingen. Der individuelle Bildungsprozess findet in einem Zusammenhang von Haltungen, Beziehungen, Interaktionen, Situationen und gestalteter Umgebung statt. Für eine gelingende inklusive Pädagogik ist es daher unverzichtbar, Barrieren in der Organisation, dem Habitus der Fachpersonen und der pädagogischen Inhalte zu erkennen und abzubauen.
Besondere Bedeutung hat im infans-Konzept der aktive Schutz jedes einzelnen Kindes. In der Zeit des Übergangs von der Familie in die Kita werden möglichst verlässliche und tragfähige Beziehungen zu jedem Kind und eine im besten Fall vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern aufgebaut. Das Aufnahmegespräch und die Kommunikation mit Eltern im Zuge der Eingewöhnung und auch im weiteren Verlauf sind hierbei wichtige Schlüssel für die folgende gemeinsame Gestaltung des inklusiven Prozesses. Die grundsätzliche Anerkennung der Eltern, das Einbeziehen ihrer Wünsche und ihrer Vorstellungen, sowie ihre Partizipation in den sie betreffenden Angelegenheiten tragende Säulen einer inklusiven Kultur in der Kita.
In einem längeren Abschnitt widmet sich die Broschüre der konkreten pädagogischen Interaktion zwischen Fachkräften und Kindern. Dabei wird ein zirkuläres, dialogisches pädagogisches Handeln beschrieben.
Lernprozesse, die aus der Motivation des Kindes heraus selbst initiiert sind, werden in diesem Sinne durch Erwachsene gemäß den Erziehungszielen bereichert, begleitet und herausgefordert. Im Kern geht es um einen fortlaufenden
Verständigungsprozess mit dem Kind, im Team und mit den Eltern. Es geht um die
pädagogische Begegnung und um eine lebendige Interaktion unter allen
Beteiligten. „Was will das Kind mit seinem Tun und Sagen erreichen? Welchen
Sinn macht das, was das Kind tut, für das Kind selbst? Welchen Sinn macht das,
was das Kind tut im gesellschaftlichen Zusammenhang?“ Diese Fragen sind
handlungsleitend und dienen einer inklusiven Haltung der Fachkräfte. Zur
konkreten Beantwortung der Fragen kommen die verschiedenen Beobachtungs- und Dokumentationsinstrumente des infans-Konzepts zum Einsatz. Sie sind Arbeitswerkzeuge der Fachkräfte und dienen auch dem Austausch über das jeweilige Kind im Team und mit den Eltern.
Häufig wird im Kontext von Inklusion von Förderung der Kinder gesprochen. Mit dieser Begrifflichkeit kommt dem Kind die Rolle als Objekt der Förderung zu. Demgegenüber versteht die inklusive Pädagogik auf der Grundlage des infans-Konzepts, Bildung immer als Aktivität des einzelnen Kindes, die durch Erziehung ermöglicht wird. Erziehung wird als Aufgabe und Verantwortung der Fachkräfte verstanden, mithilfe der Beobachtung die Motivation, die Interessen und Themen und damit die Bemühungen des Kindes zu verstehen. In Verbindung mit den legitimen Erziehungszielen der Erwachsenen können jedem Kind – unter Berücksichtigung seiner Ausgangslage – Bildungsprozesse ermöglicht werden, die seinen Fähigkeiten und seiner Motivation entsprechen und nicht dahinter zurückbleiben. Das Kind soll ermutigt werden, handlungsfähig zu sein, bisher erreichte Grenzen zu überschreiten und sein bisheriges Verständnis von der Welt und seinem Platz darin zu erweitern.
Die in jeder Kindergruppe gegebene Heterogenität wird im pädagogischen Planen und Handeln wahrgenommen und als günstige soziale Voraussetzung einer inklusiven Lernumgebung genutzt.
Die individuelle Reflexion der Fachkräfte sowie die kontinuierliche Teamreflexion in Bezug auf den Umgang mit Unterschiedlichkeit und Vielfalt sind für die Gestaltung einer inklusiven Haltung besonders bedeutsam. Diese zeigt sich im Umgang mit Kindern und Eltern, aber auch in Teams, die die unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen der Fachkräfte wahrnehmen und ressourcenorientiert einzusetzen wissen. Gegenseitige Unterstützung der Fachkräfte und eine gelingende Kooperation stellen eine wesentliche Kraftquelle im pädagogischen Alltag dar. Eine darauf zielende Investition in die Resilienz von Teams zeigt sich häufig in einer wachsenden Qualität der pädagogischen Arbeit sowie im Wohlbefinden von Kindern und Fachkräften und kann somit einer pädagogisch wünschenswerten Fachkräftebindung dienen.
Besondere Herausforderungen von Kindern erfordern entsprechende Kompetenzen der Fachkräfte. Leitungen und Träger sind gut beraten, im Bedarfsfall zusätzliche Hilfe zu organisieren und nach Möglichkeit einschlägige Fachkräfte im Sinne der Bildung von multiprofessionellen Teams einzustellen. Die Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Akteuren im Gemeinwesen ist ein weiterer wichtiger Baustein, um den inklusiven Prozess für alle Beteiligten voran zu bringen.
Die vorliegende Broschüre will ermutigen, gemeinsam mit Eltern und Kindern eine konsequente inklusive und partizipative pädagogische Arbeit zu gestalten und so jedem Kind bestmögliche Chancen für seine Bildungs- und Entwicklungsprozesse
zu bieten.
[1] Autorinnen: Beate Andres, Karin Ehinger, Andrea Goebel, Iris Lanwer, Barbara Pfützner, Andrea Pigisch; Lektorat: Monika Bekemeier, Februar 2018